Wie wir
wirklich Leben

Studie zur Lebenswirklichkeit in Deutschland Philip Morris GmbH

Ergebnisse

Einfluss von Einkommen auf politische Einstellungen

Um den Einfluss ökonomischer Faktoren auf politische Einstellungen zu überprüfen, wurde zunächst der Zusammenhang zwischen Haushaltsnettoeinkommen der Befragten und politischen Einstellungen überprüft. Das Ergebnis ist in Abbildung 1 dargestellt: Einkommen alleine steht in keinem statistischen Zusammenhang damit, zu rechten politischen Einstellungen zu tendieren. Auch wenn man Vermögen und frei verfügbares Einkommen hinzunimmt, zeigt sich kein Einfluss auf politische Einstellungen. Ein geringes Einkommen oder Vermögen steht damit für sich genommen auch nicht im Zusammenhang mit rechten Einstellungen oder einer Affinität zur AfD. 

Abb. 1

Einflussfaktoren: Einkommen hat keinen Einfluss

*Nachgefragt: Ökonom. Risiken begründet mit:
1. Weil Deutschland insgesamt wirtschaftlich absteigt
2. Aufgrund der Migration und Unterstützung von fremden Ländern/Menschen

Zusätzlich haben nicht Wähler der AfD, sondern der Linken das mit Abstand geringste Einkommen und Vermögen in der Stichprobe. Hier zeigt sich auch ein deutlicher Unterschied zwischen Linken und BSW: In der Einkommensstruktur ähneln Wähler:innen des BSW viel eher der AfD. Das höchste Einkommen zeigt sich bei Wählern der Union, auch hier dürfte man einen Widerspruch zu dem Stereotyp finden, FDP-Wählern seien die mit dem höchsten Einkommen.

Abseits des faktischen Einkommens finden sich sehr wohl Zusammenhänge, geht es um eher gefühlsbasierte Faktoren zur eigenen ökonomischen Lage.

Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Empfindung, das eigene Einkommen sei ungerecht, einer Unzufriedenheit mit der eigenen (ökonomischen) Lebenssituation und der Angst vor ökonomischen Risiken bzw. einem ökonomischen Abstieg und rechten politischen Einstellungen. Deswegen wurde der Zusammenhang nicht zwischen der tatsächlichen ökonomischen Lage und politischen Einstellungen, sondern der subjektiv empfundenen ökonomischen Lage und  der subjektiven Einschätzung des Risikos, materieller Not ausgesetzt zu sein, anschließend genauer analysiert.

Abb. 2

Einflussfaktoren: Signifikante Korrelationen

Alle Korrelationen signifikant

Es wurden mehrere Fragen gestellt, die diese subjektiv empfundene Abstiegsangst zusammenfassen sollten. Über die Perspektive auf den eignen Wohlstand hinaus haben diese Fragen auch die Perspektive auf den deutschen Wohlstand umfasst, also beispielsweise. „Ich glaube, Deutschland wird wirtschaftlich zugrunde gehen“ oder „in Deutschland ist die Infrastruktur kaputt und marode“. Diese Fragen wurden zusammengefasst zu dem Faktor „Angst vor Substanzverlust“.

Anders als beim tatsächlichen Einkommen besteht hier ein sehr deutlicher Zusammenhang zwischen der Angst vor ökonomischem Abstieg – individuell, aber auch von Deutschland insgesamt – und rechten politischen Einstellungen, wie auf Abbildung 2 schematisch dargestellt. Für die Sozialwissenschaften zeigt sich hier mit einem Korrelationskoeffizienten von r = .55  sogar ein außergewöhnlich hoher Zusammenhang zwischen stark ausgeprägter Angst vor ökonomischem Abstieg und rechten Einstellungen. Auch hier lag die Begründung allerdings nicht in einer faktischen Bedrohung des Arbeitsplatzes durch Modernisierungsprozesse. Es gab keine Systematik, dass Menschen, die in Bereichen arbeiten, die besonders von technologischem Wandel betroffen sind, eine höhere Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und ökonomischem Abstieg haben.Obwohl diese Angst vor Substanzverlust sehr stark mit rechten politischen Einstellungen zusammenhängt, determiniert sie nicht automatisch eine Wahlentscheidung für die AfD. Zusätzlich wurde eine Reihe moderierender Variablen festgestellt, die der Abstiegsangst ihre spezifisch rechte Ausprägung geben, sie so beeinflussen, dass sich aus dieser Angst eine rechte Einstellung ergibt.

Am stärksten wirkt hier eine generelle Zuschreibung der Verantwortung für wirtschaftliche Missstände an Politik und Staat. Äußere Umstände wie Krieg oder Klimawandel werden als Ursachen ökonomischer Sorgen und Nöte nicht mit einbezogen, ebenso wenig, wie eine Eigenverantwortlichkeit für gewisse Umstände anerkannt wird. Das hängt stark zusammen mit einem zweiten Punkt: Dem Gefühl der Fremdbestimmung gegenüber eigener Handlungsmacht und Wirkmächtigkeit. Unter den Befragten mit rechten Einstellungen wird immer wieder betont, man könne Missstände weder ändern noch beeinflussen. Hier schwingt im Subtext ebenfalls eine gewisse Affinität zu verschwörungstheoretischen Narrativen, man werde von fremden Mächten bestimmt, mit. Zusätzlich zeigt sich eine besonders ausgeprägte Anspruchshaltung unter Befragten mit rechten politischen Einstellungen: Sie finden, sie haben einen Anspruch auf ökonomischen Wohlstand, beispielsweise auf ein Eigenheim und Urlaube, und auf staatliche Versorgung, von der sie finden, dass sie zu wenig von dieser abbekommen. 

Abb. 3

Perspektiven der Wähler:innen: Verteilungsfragen

Wie ist Ihre Position zu den folgenden Themen? Welcher Aussage der folgenden Paare an Aussagen würden Sie jeweils eher zustimmen?

Basis: SPD n=481, CDU n=973, Grüne n=410, FDP n=169, AfD n=681, Linke n=117, BSW n=460

  • SPD
  • CDU/CSU
  • Grüne
  • FDP
  • AfD
  • Linke
  • BSW

Detailierter aufgeführt sind diese Perspektiven in Abbildung 3. Interessanterweise ist das Wohlstands(wachstums)versprechen bei Wählerinnen und Wählern der AfD deutlich mehr verinnerlicht als bei Befragten anderer politischer Einstellungen: Wähler der AfD stimmen der Aussage, der Wohlstand muss weiter wachsen, gegenüber der Aussage, der Wohlstand kann aufgrund von knappen Ressourcen und Verteilungsungerechtigkeit nicht ständig weiter wachsen, am deutlichsten zu, mehr noch, als Wähler der FDP. Passiert dies nicht, sei „die Politik“ schuld. In diesen Fragen zeigt sich, wie auf Abbildung 3 erkennbar, eine deutliche Assoziation zwischen dem BSW und der AfD. Wähler der übrigen Parteien zeigen sich in ihrem Antwortverhalten deutlich näher aneinander, das BSW und die AfD fallen hier aus dem Schema.

Auffällig ist dabei insgesamt ein gewisser Egoismus unter Wählern der AfD. Größer gefasst bemerkt man dort einen allgemeinen Verlust des Verständnisses für gesellschaftliche Solidarität. Zunächst wird eine zutiefst unsolidarische, „egoistische“ Perspektive auf Verteilung bzw. noch konkreter, auf Staat und staatliche Unterstützung deutlich, die besonders ausgeprägt und Wähler:innen der AfD ist. Insbesondere wird dies an der hohen Zustimmung zum ersten Item in Abbildung 3 deutlich, in dem letztlich der Abbau des Sozialstaats gefordert wird, und am dritten Item, das impliziert, gewisse Menschen durchaus Unterstützung verwehren zu wollen. Zusätzlich wurde noch eine Frage gestellt, in der Befragte gebeten wurden, 10.000 Euro, angenommen, sie bekämen diese geschenkt, aufzuteilen in die Anteile, die man sparen, selbst ausgeben und spenden oder verschenken würden. Mit wirklich großem Abstand würden Wähler der AfD den geringsten Anteil spenden, gefolgt vom BSW. Am meisten spenden würden Wählerinnen und Wähler der Linken, obwohl sie innerhalb der Stichprobe gleichzeitig das geringste Nettoeinkommen haben. Unterschiedliche Freigiebigkeit hängt somit vermutlich nicht mit eigener Not, sondern mehr mit unterschiedlichen Vorstellung von (Verteilungs)Gerechtigkeit zusammen und damit mit einem unterschiedlichen Bewusstsein für Gemeinwohl und Solidarität gegenüber einer ökonomischen Selbstbezogenheit. Die hohe Zustimmung zu dem ersten Item in Abbildung 3, das letztlich aussagt, die individuelle Steuerlast auf Kosten sozialstaatlicher Leistungen reduzieren zu wollen, ist für letztere Ausrichtung symptomatisch. 

Abb. 4

Wie ist Ihre Position zu den folgenden Themen?

Wie ist Ihre Position zu den folgenden Themen? Welcher Aussage der folgenden Paare an Aussagen würden Sie jeweils eher zustimmen?

Basis: liberal ökologisch n=1.336, mittig n=1.395, national egoistisch n=1.431; 7-stufiges semantisches Differential

  • +++
  • ++
  • +
  • o
  • +
  • ++
  • +++

Der Trend, dass das Verständnis für ein Gemeinwohl verschwindet, zeichnet sich in ganz Deutschland ab, nicht nur unter den AfD-Wähler:innen. Abbildung 4 zeigt die Zustimmungswerte zu den Items aus Abbildung X noch einmal aggregiert für die gesamte Stichprobe, wo eine hohe Zustimmung zur Eigenorientierung unter allen Befragten erkennbar wird. Ebenfalls deutlich wird hier eine „Deutschland zuerst“-Haltung, eine Präferenz der eigenen Nation gegenüber globalen Orientierungen: Rund 50 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu. Deutschland sollte sich stärker nach außen abgrenzen. Ein zweiter Trend, der sich in ganz Deutschland zeigt, ist die Verbreitung migrationsfeindlicher, xenophober Einstellungen. Abbildung 5

Abb. 5

Migrationsfeindlichkeit in Deutschland

Was sind Ihrer Meinung nach notwendige politische Maßnahmen im Bereich Migration/Integration? Warum befürchten Sie ökonomische Risiken bzw. einen wirtschaftlichen Abstieg?

Basis: 2024 n=4.162, AfD n=681

  • Gesamt
  • AfD

Was sind Ihrer Meinung nach notwendige politische Maßnahmen im Bereich Migration/Integration?

Warum befürchten Sie ökonomische Risiken bzw. einen wirtschaftlichen Abstieg?

zeigt die Zustimmung von Befragten zu Aussagen zu Migration. Das Antwortverhalten von AfD-Wählern hier dennoch einmal gesondert im Vergleich aufgeführt. Dabei zeigt sich, dass Xenophobie unter Wählerinnen und Wählern der AfD besonders ausgeprägt ist, migrationsfeindliche Aussagen über die Stichprobe hinweg allerdings auch insgesamt hohe Zustimmungswerte verzeichnen. Immerhin 43 Prozent der Befragten geben an, man solle die Grenzen schließen und keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. 

Erstens wird daraus deutlich, dass eine ideologische Komponente definitiv ein relevanter Treiber auf der politischen Einstellungsebene ist, die AfD zu wählen. Nicht nur Angst oder Protestwahl spielen hier eine Rolle. Wählerinnen und Wähler entschieden sich ebenfalls aus Überzeugung von deren Positionen zu Migration für eine rechtspopulistische Partei. Zweitens wird aber auch deutlich, dass diese Poitionen zu Migration auch abseits der AfD vertreten werden, sie haben Einzug in den „Mainstream“ erhalten.

Zuletzt zeigt das letzte Item auf Abbildung 5, dass immerhin rund 40 Prozent der Deutschen den ökonomischen Abstieg aufgrund von Migration und der Unterstützung von anderen Ländern befürchten, 66 Prozent sind es bei der AfD. Deutlich wird hieran eine Verknüpfung der Angst vor ökonomischem Abstieg mit Migration.