Wie wir
wirklich Leben

Studie zur Lebenswirklichkeit in Deutschland Philip Morris GmbH

Fazit

Das Ziel dieser im Auftrag von Philip Morris und vom rheingold Institut durchgeführten Studie war es, die politischen Sichtweisen der Expertokratie und des Populismus besser zu verstehen und herauszufinden, wie sehr diese in Deutschland verbreitet sind. Die Ergebnisse zeigen, dass 19 Prozent der Befragten eine hohe Ausprägung von populistischen Einstellungsmustern aufweisen. Im Vergleich sind mit 12 Prozent hohe Ausprägungen von expertokratischen Einstellungen weniger verbreitet. Damit sind beide Sichtweisen zwar nicht mehrheitlich vertreten, allerdings auch nicht verschwindend gering. 

Außerdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich beide Sichtweisen vor allem in den Teilen der Gesellschaft verbreitet haben, die unzufrieden mit der Politik sind. Die Lösung der komplexen Herausforderungen unserer Zeit wird den Politiker:innen in diesen Gruppen nicht mehr zugetraut. So finden 41 Prozent der expertokratisch eingestellten Befragten, dass neutrale Experten:innen oder Verfassungsgerichte über Gesetze entscheiden sollten. 73 Prozent der Befragten, die populistische Einstellungen aufwiesen, finden, dass Bürger:innen in Volksentscheiden über Gesetze bestimmen sollten. 

Aufgrund dieser inhaltlichen Unterschiede zwischen den von Brennan und Mudde beschriebenen Phänomenen Expertokratie und Populismus wurde in dieser Studie angenommen, dass Expertokratie und Populismus als politische Sichtweisen in Konkurrenz zueinanderstehen. Diese Annahme konnte durch die Ergebnisse nicht bestätigt werden. Vielmehr zeigt sich, dass beide Einstellungsmuster keine reinen Gegenpole sind, sich also nicht wie erwartet gegenseitig ausschließen, sondern eine entscheidende Gemeinsamkeit haben: Beide eint die Ablehnung von repräsentativen parlamentarischen Verfahren in der Politik. Parlamentarische Aushandlungsprozesse als Kernstück unserer Demokratie werden in der Studie von Befragten, die diese Einstellungen vertreten, zurückgewiesen. Daher ist es entscheidend zu verstehen, was Politik und die Gesellschaft tun können, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. 

Vor allem während der Coronapandemie traten Expert:innen als Ratgeber der Politik in die Öffentlichkeit. Aus den Studien-Interviews, die mit stark expertokratisch und stark populistisch eingestellten Befragten geführt wurden, geht hervor, dass Expert:innen gegenüber Politiker:innen neutral und positiv bewertet werden. „Politiker lügen viel eher als Wissenschaftler, weil Wissenschaftler ihre Thesen beweisen müssen“: Diese Aussage aus einem der Interviews macht deutlich, dass den Entscheidungen von bestimmten Expert:innen im Gegensatz zu denen von Politiker:innen mehr vertraut wird.

Durch die Interviews wird außerdem deutlich, dass es keine klare Definition gibt, wer als Expert:in gilt und wer nicht. Vielmehr ist für die Befragten wichtig, wie viel Autorität Expert:innen in einer Diskussion zugeschrieben wird. Der Anspruch, der an Expert:innen gerichtet wird, ist es, die Komplexität von Problemen zu reduzieren und verständliche Lösungen anzubieten. 

Expertokratisch und populistisch eingestellte Befragte trauen Politiker:innen nicht mehr zu, diesem Anspruch gerecht zu werden. Für sie sind die Beratungen der Politik und resultierende Kompromisse kein Zeichen der Demokratie, sondern ein Zeichen dafür, dass Entscheidungen auf Basis von Meinungen, Eigeninteresse oder parteipolitischen Strategien getroffen werden. Bei einigen Befragten entsteht dadurch der Eindruck, dass nicht die bestmögliche Entscheidung, auf Grundlage des Rates von Expert:innen und wissenschaftlichen Argumenten getroffen wird. 

Auf der anderen Seite und im Gegensatz dazu werden verkürzte politische Entscheidungsprozesse, wie sie während der Coronapandemie zu beobachten waren, gleichermaßen von populistisch und expertokratisch eingestellten Befragten kritisiert. Für populistisch Eingestellte wurde das Volk in diesen Entscheidungsprozessen nicht gehört. Für expertokratisch Eingestellte wurde die Wissenschaft ignoriert. 

Zusammenfassend zeichnet sich ab, dass sowohl expertokratisch als auch populistisch eingestellte Befragte die Entscheidungsfindung durch Aushandlungsprozessse und damit den Kern der Funktionsweisen der parlamentarischen repräsentativen Demokratie ablehnen. Während für die einen mehrheitlich die Expert:innen die Entscheidungen treffen sollen, ist es für die anderen der Volkswille, der zählt. Weder für Anhänger:innen populistischer noch expertokratischer Überzeugungen sind es jedoch Politiker:innen. Geschlossene Kompromisse, die eigentlich die verschiedenen Ansichten innerhalb einer Demokratie widerspiegeln sollen, verwässern nach Ansicht beider Gruppen die eine bestmögliche Lösung und werden deswegen abgelehnt.

Diese Schlussfolgerung zeigt, dass das Verständnis gewisser befragten Bürger:innen Verbesserungspotenzial aufweist. Insbesondere die Aufgaben der Politik, ihre Funktionsweisen und ihre Ziele durch verstärkte zielgruppengerechte Information und der Mitnahme durch Diskurs auf Augenhöhe könnten Gegenstand einer ausführlicheren Erklärung werden. Politik ist nicht bloße Ideologie, sondern die Repräsentanz verschiedener Werte, Meinungen und Einstellungen einer vielfältigen demokratischen Gesellschaft. Die Beratung über Lösungen bei komplexen Herausforderungen ignoriert weder die Wissenschaft noch das Volk, sondern stellt sicher, dass alle Standpunkte einer Gemeinschaft gehört werden. Ziel ist nicht die einfachste Lösung zu finden, sondern einen Kompromiss zu schaffen, der keinen Teil der Gesellschaft ausschließt. 

Unverständnis für Repräsentation und parlamentarische Aushandlung führen zu einer Unzufriedenheit mit unserer Demokratie. Darum gilt es, die aufgeführten Punkte transparenter zu kommunizieren und dabei ihren Wert für unsere Gesellschaft zu betonen. Wenn dies gelingt, besteht eine Chance, Verständnis zu schaffen und wieder mehr Unterstützer: innen für unsere Demokratie zu gewinnen. Diese Studie ist dabei als Impuls zu sehen, der auf die abgezeichneten Entwicklungen und mögliche Handlungsfelder in Politik, Gesellschaft und Medien aufmerksam macht. 

“Wie wir wirklich leben” als Teil der Corporate Democratic Responsibility von Philip Morris

Die Demokratie zu verteidigen und zu stärken ist das zentrale Anliegen der Studie „Wie wir wirklich leben“. Im Jahr 2020 haben wir die Studie angesichts des Gefühls der Gefahr einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung erstmalig gemeinsam mit dem rheingold Institut aus Köln durchgeführt. 

Die erste Auflage der Studie hat sich mit der Frage beschäftigt, wie zufrieden die befragten Bürger:innen in Deutschland mit der eigenen Lebenswirklichkeit und dem politischen System sind. Aus den Ergebnissen wurden fünf Erwartungstypen erstellt, die die befragten Bürger:innen anhand der Einschätzung ihrer Lebenssituation und der Demokratie-Zufriedenheit kategorisieren. Die Erwartungstypen werden, wie bereits im vorangehenden Methodenteil erörtert – unabhängig vom jeweiligen thematischen Fokus der Studie – jedes Jahr gebildet, um Veränderungen hinsichtlich der Verteilung beobachten zu können. 

Anlässlich der Bundestagswahl fokussierte sich die Studie im Jahr 2021 darüber hinaus auf das Wahlverhalten und die Wahlmotivationen von Bürger:innen. Unser Anliegen war herauszufinden, weshalb sich Bürger:innen der Wahl enthalten, um so mögliche Ansätze, mehr Bürger:innen zur Wahl zu motivieren, ableiten zu können. Die Studie sollte so dazu beitragen, Wahlen und vor allem Wahlbeteiligung als konstitutives Element von Demokratien hervorzuheben, das dauerhaft gestärkt und dessen Wert in der Bevölkerung anerkannt werden sollte. 

Die Diskussionen der letzten Krisenreichen Jahre haben uns gezeigt, dass die Studie „Wie wir wirklich lebenauch in diesem Jahr sinnstiftend war: Unser Anspruch ist es auch in diesem Jahr, Impulse für ein offenes Miteinander und eine Integration aller in den öffentlichen Diskurs zu geben und damit zu einer Diskussion beizutragen, die Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit schafft.

Die Studie ist insgesamt Teil unseres Engagements für die Stärkung unserer Demokratie – von uns zusammengefasst unter dem Begriff der Corporate Democratic Responsibility. Angesichts aktueller Krisen und gesellschaftlicher Problemlagen unterstützen und fördern wir den Gedanken, dass Unternehmen ihre Rolle in der Gesellschaft überdenken müssen. Auch wirtschaftliche Akteure müssen sich für die Stärkung unserer Demokratie und ihrer Institutionen einsetzen, die über die letzten Jahre zunehmend unter Druck geraten ist. Neben der Studie „Wie wir wirklich leben bilden verschiedene von uns ins Leben gerufene Initiativen und Auszeichnungen einen festen Bestandteil unserer Corporate Democratic Responsibility, so beispielsweise der Kunstförderpreis The Power Of The Arts, unser Preis Power for Democracy für herausragendes demokratisches Engagement oder unserer Kampagne für mehr Beteiligung an der Bundestagswahl 2021.